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Princess Mononoke, jetzt noch epischer

Von Olivier Samter am 19.8.2025
Fast 30 Jahre sind vergangen, seit Hayao Miyazakis Meisterwerk die Animationsfilmwelt auf den Kopf stellte. Nun kommt «Princess Mononoke» als restaurierte 4K-Version zurück ins Kino – in epischem IMAX-Format.
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KOMPROMISSLOS UND AUFGEBRACHT

Ich war neun Jahre alt, als ich «Princess Mononoke» zum ersten Mal gesehen habe. Es war an einem Familienfest und meine Tante entschied sich, uns den Film zu zeigen. Ich war verwirrt und überfordert, schliesslich war das auch meine erste Berührung mit Anime. Ich erinnere mich noch gut an die Albträume, die ich in der darauffolgenden Nacht hatte: Scharen wildgewordener Vermicelles-Wildsäue, die Jagd auf mich machten, und allenthalben flogen mir abgetrennte Ärme entgegen.

Nago, der Vermicelles gewordene Wildschwein-Dämon
Nago, der Vermicelles gewordene Wildschwein-Dämon

Nago, das Wildschwein mit den Tentakeln, das mich in meinen Träumen verfolgte, spielt in «Princess Mononoke» eigentlich nur eine untergeordnete Rolle – und doch ist es ebendieser wildgewordene Keiler, der die Geschichte des Animationsfilms von 1997 ins Rollen bringt. Um den Ursprung von Nagos Fluch zu finden, verlässt der junge Prinz Ashitaka im mittelalterlichen Japan sein Dorf und reist in den Westen, wo mächtige Tiergottheiten und Geister leben sollen. Auf seiner Suche gerät er mitten in einen erbitterten Kampf zwischen Mensch und Natur.

Mit «Princess Mononoke» hat der gefeierte Filmemacher Hayao Miyazaki einen seiner wahrscheinlich besten Filme abgeliefert, der nicht nur das Anime-Genre nachhaltig geprägt hat, sondern auch das Schaffen des Regisseurs auf ein neues Level hob. Düstere Untertöne gab es im Werk von Miyazaki auch schon zuvor, etwa in «Castle in the Sky» oder «Porco Rosso» – doch nie waren sie so präsent wie hier. «Princess Mononoke» ist ein kompromissloser, aufgebrachter Film, der es gleichzeitig schafft, die Schönheit der Natur – und damit auch der Menschheit – zu zelebrieren.

EINE KLINGE FÜR HARVEY WEINSTEIN

Nicht nur künstlerisch erreichte Miyazaki damit ein neues Level, auch die Bekanntheit des Filmemachers stieg mit dem Film. An den japanischen Kinokassen war «Princess Mononoke» ein riesiger Erfolg, den Miyazaki nur mit seinem darauffolgenden Film und späteren Oscar-Gewinner «Spirited Away» übertreffen konnte. Auch in den USA, wo die Filme des Regisseurs bis zu diesem Zeitpunkt sehr stiefmütterlich behandelt und manchmal sogar neu geschnitten wurden, konnte sich Miyazaki damit einen Namen machen.

Ashitaka, der Protagonist von «Princess Mononoke»
Ashitaka, der Protagonist von «Princess Mononoke»

Dieses Selbstbewusstsein haben sich der Regisseur und sein Produzent Toshio Suzuki auch gleich zunutze gemacht: Dem mittlerweile verurteilten Sexualstraftäter Harvey Weinstein, der damals für den Vertrieb der Filme in den USA verantwortlich war, liessen sie ein Katana zukommen. Dazugelegt war eine Notiz mit der mahnenden Aufschrift: «No Cuts». Noch heute kichert Miyazaki, darauf angesprochen, spitzbübisch.

Wenig überraschend also, dass «Princess Mononoke» in der Folge ungeschnitten in die amerikanischen Kinos kam – mit einem Synchrondrehbuch, für das Weinstein ursprünglich keinen Geringeren als Quentin Tarantino vorsah – dieser lehnte jedoch ab. Aber auch ohne das Zutun des «Pulp Fiction»-Machers hat der Anime längst Kultstatus erreicht.

Auch hierzulande: Seit 2022 wurde «Princess Mononoke» bei THE ONES WE LOVE schweizweit ganze 21 Mal gewählt, in Zürich und Luzern lief der Film in diesem Zeitraum jeweils vier Mal.

Die Bedeutung von «Princess Mononoke» für das Filmschaffen wird deutlich, wenn man sich die Vielzahl an Filmen und Serien anschaut, die sich vom japanischen Kult-Anime haben inspirieren lassen: «Avatar: The Last Airbender» (2005 - 2008), «Snow White and the Huntsman» (2012) oder unlängst «The Mandalorian» (seit 2019) – sie alle haben sich visuell oder erzählerisch bei Miyazakis Meisterwerk bedient.

«Princess Mononoke» und seine Nachahmer: Links das Original, rechts von oben nach unten: «Avatar: The Last Airbender» (The Siege of the North: Part 2), «Snow White and the Huntsman», «The Mandalorian» (Chapter 13: The Jedi).
«Princess Mononoke» und seine Nachahmer: Links das Original, rechts von oben nach unten: «Avatar: The Last Airbender» (The Siege of the North: Part 2), «Snow White and the Huntsman», «The Mandalorian» (Chapter 13: The Jedi).

4K IST NICHT IMMER GLEICH 4K

Die Bildgewalt von «Princess Mononoke» kann sich nun in noch höherer Auflösung bestaunen lassen: Der Film wurde unlängst als 4K-Version restauriert, die ab dem 3. September nun in Zusammenarbeit mit THE ONES WE LOVE exklusiv in die IMAX-Kinos von Pathé kommt – vorerst nur in der Romandie im Pathé Balexert. «Princess Mononoke» ist ein gigantisches und episches Werk – das nun in seiner 4K-Umsetzung und auf IMAX-Leinwand noch gigantischer und epischer daherkommen dürfte.

Aber obacht: 4K-Restaurierung ist nicht immer gleich 4K-Restaurierung – wie gut so eine Aufwertung ist, hängt immer auch vom Zustand des Originalmaterials ab. Viele Realspielfilme etwa existieren nur als 2K-Kopie, was bedeutet, dass das Bild künstlich aufgebessert werden muss. Dabei kommt nicht selten KI zum Einsatz, die das Filmmaterial immer mal wieder falsch interpretiert oder überkorrigiert. Da wirken dann auch Menschen gerne mal, als wäre die spanische Rentnerin, die seinerzeit das Jesus-Fresko eher ungenügend restauriert hat, zu Werke gegangen.

Ganz anders sieht das bei «Princess Mononoke» aus: Weil es sich um einen von Hand auf sogenannte Cels (transparente Animationsfolien) animierten Film handelt, und diese alle sauber archiviert wurden, ist die Restaurierung einfacher. Die Cels wurden alle gescannt und noch einmal exakt wie damals zusammengesetzt, sodass Miyazakis epischer Anime nun problemlos als 4K-Version ausgespielt werden kann – ohne KI, ohne Korrekturen.

Dass das auf der ganz grossen Leinwand erlebt werden muss, versteht sich von allein.

Ausser vielleicht, man ist ein neunjähriges Kind, das noch nie einen Anime gesehen hat – dann könnte einen das Gezeigte verwirren und überfordern und mit Vermicelles-Wildschwein-Albträumen zurücklassen.

Ist dein Lieblingsfilm nicht dabei? Schlage ihn hier vor und werde Pate des Films!

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